Bist du ein Kletterer?

Text: Shelma Jun

Wann kann man sich selbst als Kletterer bezeichnen? Es scheint viele Möglichkeiten zu geben einen „echten“ Kletterer zu definieren — anhand einer Art unsichtbaren Checkliste. Ist man ein Kletterer, sobald man beim Bouldern oder Sportklettern einen bestimmten Schwierigkeitsgrad geschafft hat? Ist man ein Kletterer, sobald man eine Route vorsteigen kann, weil manche Leute (mich nicht eingeschlossen) glauben, dass Nachsteigen kein ‚echtes‘ Klettern ist? Muss man regelmäßig draußen klettern, um als Kletterer zu gelten? Zählt das Klettern in der Halle nur als Training, um seine Ziele am Felsen zu erreichen? Was ist mit all den Leuten, die gerne in der Halle klettern und kein Interesse an Felswänden haben? Sind das Kletterer?

Wir sind an einem Punkt, an dem sehr viele sich selbst nicht Kletterer nennen würden. Ich habe mit mehreren Leuten gesprochen, die alle etwas Ähnliches gesagt haben: „Na ja, ich klettere regelmäßig in der Halle, aber ich würde mich nicht als Kletterer bezeichnen.“ Es kommt so rüber, als es eine Schande, sich als Kletterer zu definieren, wenn man noch nicht die Routen x, y und z geklettert ist. Das erinnert an die Zeiten, in denen man eine ganze Liste an Begehungen vorweisen musste, um Mitglied in einem Alpenverein zu werden. Der Klettersport ist in den letzten zehn Jahren explodiert. Eine Folge davon ist, dass es viel mehr Kletterer und viel mehr Spielarten gibt. Statt wie früher zu selektieren, sollten wir den veränderten Klettersport in all seinen Facetten anerkennen.

„Ein Kletterer ist jemand, der Zeit und Mühe in den Klettersport steckt“, sagt Brette Harrington, professionelle Kletterin, „Diese Definition hat sich nicht verändert, aber die Möglichkeiten, wo und wie man klettern kann, sind vielfältiger geworden.“

Laut Climbing Business Journal gab es 2008 nur 184 Kletterhallen in den USA. Zehn Jahre später waren es 472 Hallen — 256 Prozent mehr! Ein Großteil dieser Kletterhallen hat in im urbanen Umfeld eröffnet. Heutzutage können manche Kletterer einen 7c Boulder oder eine 8a Route in der Halle klettern, ohne jemals am Fels gewesen zu sein. Häufig ist es für diese Leute aus finanziellen Gründen oder wegen der Entfernung zu einem Klettergebiet gar nicht möglich draußen zu klettern. Trotzdem feilen sie hunderte von Stunden an ihrer Technik und trainieren Kraft und Ausdauer — mit den zur Verfügung stehenden Mitteln. Wahrscheinlich gibt es sogar viele Kletterer, die diese Grade in der Halle klettern, niemals am Fels waren und auch kein Interesse daran haben.

Der Klettersport bekommt heute viel mehr Aufmerksamkeit in der breiten Bevölkerung als jemals zuvor. Im Januar 2015 gelang Tommy Caldwell und Kevin Jorgenson die Rotpunktbegehung der Dawn Wall. Klettern wurde so zum Thema in internationalen, breiten Medien (inklusive eines Tweets von Präsident Obama). Tommy und Kevin wurden sogar zur Ellen Show eingeladen. Ashima Shiraishi war im New Yorker, bei Vice Media und sogar bei HypeBeast. 2020 wird Klettern erstmals olympisch. (Anmerkung: Beim Speedklettern, einem Teil des olympischen Kletterwettkampfs, trainieren die Athleten ihre ganze Karriere lang genau die gleiche Route, um jeden einzelnen Zug zu verinnerlichen und Hundertstel- für Hundertstelsekunde schneller zu werden. Für einige Kletterer ist das der komplette Gegensatz zu ihrer persönlichen Kletterdefinition.)

Der Klettersport bekommt heute viel mehr Aufmerksamkeit in der breiten Bevölkerung als jemals zuvor. Im Januar 2015 gelang Tommy Caldwell und Kevin Jorgenson die Rotpunktbegehung der Dawn Wall. Klettern wurde so zum Thema in internationalen, breiten Medien (inklusive eines Tweets von Präsident Obama). Tommy und Kevin wurden sogar zur Ellen Show eingeladen. Ashima Shiraishi war im New Yorker, bei Vice Media und sogar bei HypeBeast. 2020 wird Klettern erstmals olympisch. (Anmerkung: Beim Speedklettern, einem Teil des olympischen Kletterwettkampfs, trainieren die Athleten ihre ganze Karriere lang genau die gleiche Route, um jeden einzelnen Zug zu verinnerlichen und Hundertstel- für Hundertstelsekunde schneller zu werden. Für einige Kletterer ist das der komplette Gegensatz zu ihrer persönlichen Kletterdefinition.)

Ursprünglich wurde Klettern einfach als das Bezwingen einer vertikalen Felswand definiert. Lasst uns aber nicht vergessen, dass das, was heute als „Old School“ gilt, irgendwann auch mal „New School“ war. Bis weit in das 20. Jahrhundert galt Bouldern nur als Training für längere Routen oder eine Variante, einen Schlechtwettertag während einer Expedition zu nutzen. Das Technische Klettern bot in den späten 1900er Jahren erstmals die Möglichkeit große Felswände zu begehen. Die Definition des Kletterns hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Das liegt daran, dass Kletterer Abenteurer sind, die ständig an die Grenzen des Möglichen gehen und diese verschieben. Ist es nicht genau das, wofür wir uns als Kletterer rühmen?

Warum lieben Kletterer das Klettern? Viele sagen, dass es an der Art der Bewegung liegt, der körperschonenden Belastung, der Herausforderung und der Problemlösung. “Es ist ein gutes Gefühl, Herausforderungen zu meistern, sich Ziele zu setzten und zu spüren, wie sich deine Technik verbessert und du dich immer harmonischer bewegst“, erklärt die Kletterin Lauren Lu aus Boston, die kürzlich mit ein paar Freunden zum Klettern in Moab war, “Es hat viel mit der Psyche zu tun, wenn man besser werden möchte, aber auch mit einem Mix an körperlicher Herausforderung.“ LR Blount, eine weitere Kletterin bei diesem Trip sagt: „Es ist eine Art Meditation. Klettern ist eine der Sportarten, bei der man sich wirklich auf das konzentrieren muss, was man gerade tut. Ansonsten stürzt man.” Ihre Freundin Bethany Berkowitz ergänzt: „Beim Klettern muss man einander vertrauen. Ich denke, es vertieft eine Freundschaft, wenn man zusammen klettert.“

Für die meisten von uns geht es beim Klettern darum, die persönlichen Grenzen zu pushen — nicht die des Sports. Die meisten Leute klettern, weil sie die Art der Bewegung lieben, die Herausforderung und das soziale Miteinander. In diesem Fall ist es ganz egal, wie gut oder auf welche Art man klettert. „Wenn du nur in der Halle kletterst, du leicht dort hinkommst, dann ist das perfekt. Mir ist es egal, ob du ’nur‘ einen 5er boulderst oder kletterst. Ich denke, es kommt nur darauf an, dass man nach dem Stürzen nicht aufgibt und es wieder versucht. Das macht dich zu einem Kletterer.“ Mache Leute denken, dass man nur draußen richtig klettern kann. Aber es gibt mittlerweile so viele unterschiedliche Möglichkeiten zu klettern. Die Definition ‚Kletterer‘ sollte alle Spielarten und die vielen, teilweise neuen Gesichter des Sports mit einbeziehen.