Klettern in China

Text: Jonathan Siegrist

Fotos: Sara Kerzhner

Einer meiner ersten großen Klettertrips ging nach China. Das war 2009. Die Natur, die Leute, das Essen und das Klettern waren ein Gesamterlebnis, an das ich mich sehr gerne erinnere. Einige Gebiete waren damals nicht einfach zu erreichen, keine sicheren Zustiege möglich. Dadurch konnte ich die damalige Königslinie des Gebiets „Spicey Noodle“ nicht probieren. Seither habe ich Wahnsinnsbilder von einem anderen chinesischen Gebiet gesehen, Getu. Auch in Yangshuo wurden mehr und mehr harte Routen wie „Red Point Meal“ 8c+ und „Spicey Dumpling“ 9a eingerichtet. Ich habe die Entwicklungen in China die ganze Zeit beobachtet und schließlich war die Zeit für einen erneuten Besuch gekommen. Für mich war klar, dass Tara Kerzhner mit ihrem sicheren Auge, die perfekte Begleitung war, um diesen außergewöhnlichen Ort auf Foto und Video festzuhalten. Meiner Meinung nach hat sie das mit Bravour gemeistert.

Es war total überwältigend, dieses Höhlensystem das erste Mal zu sehen. Für mich war es, wie zum ersten Mal vor dem El Cap zu stehen – ein Erlebnis, das ich niemals vergessen werde. Die Höhlen sind so unglaublich groß, so geheimnisvoll. Ich konnte es fast nicht glauben, dass wir dort klettern würden.

Am frühen Morgen scheint die Sonne direkt durch die Höhle und erzeugt einen spektakulären Lichtkegel. Als wir dort waren, zogen immer wieder Wolken vorbei. Es sah fast so aus, als würde jemand das größte Blitzlicht der Welt immer wieder ein- und ausschalten.

Die letzte Seillänge von „Lost in Translation“ 8a+ ist ein total krasses Dach mit Sintern, die teilweise so groß sind, dass man sich drauf setzen kann. Es ist mega pumpig und super verwirrend die Linie zwischen den Tufas zu finden bevor du plötzlich an der Lippe der Dachkante auftauchst. Das Foto zeigt das letzte Boulderproblem der Route, nur knappe fünf Meter unter dem Ausstieg.

Die Abseilstelle ist sehr ausgesetzt und super hart zu finden. 120 Meter frei hängend abseilen, da geht dir ganz schön die Düse. Mir macht es normalerweise nicht viel aus, ausgesetzt zu sein, aber das war schon einzigartig Angst einflößend. Total geil.

Für mich gibt es immer eine Route, die einen ganzen Trip bestimmt. Manchmal stellt sich heraus, dass die Route komplett anders ist als ich erwartet habe oder sich als unwichtig herausstellt. Das wichtige ist aber, dass sie mich zu dem Trip motiviert hat. Die Route, die mich zurück nach Yangshuo gebracht hat, war „Spicy Dumpling“ 9a. Jeder Meter war so cool, wie ich erhofft hatte.

Südwände sind immer problematisch. Ich bin recht viel in der Nacht geklettert und das macht mir auch nichts aus, vor allem weil man so die pralle Sonne vermeidet. Irgendwie mag ich es während des Projektierens auch. Manchmal finde ich im Schein der Stirnlampe neue Tritte. Mein Fokus ist in der Dunkelheit noch mehr auf den Fels direkt vor mir gerichtet.

Es ist erstaunlich, wie sich Yangshou seit meines ersten Besuchs 2009 verändert hat – eigentlich wie ganz China. Der Ansturm von vorwiegend chinesischen Touristen brachte neue Restaurants, Supermärkte und natürlich den unvermeitlichen Lärm und Verkehr. Insgesamt gefällt es mir jetzt sogar besser. Das bunte Treiben ist eine super Abwechslung für Restdays und am Fels scheint auch nicht mehr los zu sein, wie früher.

Moonhill ist ein bemerkenswerter Fels. 2009 bin ich einmal dort geklettert. Danach wurde das Klettern verboten. Während des Yanshuo Climbing Festivals, einmal im Jahr, wird die Wand jedoch geöffnet. Wir hatten Glück, dass wir genau zu diesem Zeitpunkt dort waren. So konnte ich endlich den Ultraklassiker „Red Dragon“ 8c+ mit seinen einzigartigen Features klettern.