Pass It On – Es Weitergeben

Diese Kurzfilmreihe richtet den Scheinwerfer auf eher unbekannte Akteurinnen der Kletterszene von Squamish  

Da gibt es eine Szene in der 2. Folge von „Pass it On“, in der die V9-Boulderin Michelle Leblanc die Bewohner:innen ihres Pflegeheims durch eine Visualisierung führt, um deren Mobilität zu trainieren. Sie sitzen im Garten in ihren Rollstühlen und folgen Michelles Stimme, mit der sie eine Klettertour auf den Stawamus Chief beschreibt. Spoiler Alarm – es ist schwer zuzusehen, ohne dabei ein Tränchen zu vergießen.   

„Viele Leute weinen, wenn sie diese Szene sehen“, sagt die Filmproduzenten Jen Randall, eine aufgeweckte Dokumentarfilmerin und Kletterin mit schottischen Akzent. „Das ist es, was sie macht. Ich hoffe wirklich, dass jemand wie sie in mein Leben tritt, wenn ich solche Aktivitäten nicht mehr selbst tun kann.“  

Einer der Anwohner, der sich freiwillig meldete, um beim Dreh dabei zu sein, hat die Bergrettung (Search and Rescue) in Whistler gegründet. „Er war ein integraler Bestandteil der Outdoorcommunity. Es wird nicht mehr lange dauern, bis er gar nicht mehr mobil und fähig ist, diese Orte zu besuchen und zu genießen.“  

Die Szene fängt den roten Faden ein, der sich durch die dreiteilige Serie zieht, indem sie Charaktere innerhalb der Klettercommunity von Squamish hervorhebt, die „es weitergeben“ („pass it on“). Menschen, die das, was sie inspiriert, weitergeben, indem sie Zugang schaffen, sei es durch das Einrichten von Routen, wie es die Pionierin Tami Knight getan hat, durch das Veranstalten von Workshops und Ausflügen für indigene Jugendliche, wie es Lil’wat7ul Sandy Ward tut oder durch die Initiierung des ersten „Pride Squamish Bouldering Festivals“ sowie einfach dadurch, dass sie die Leute in ihrer Fantasie dorthin bringen, wie es Michelle tut.  

„Mich hat es schon immer interessiert, was die Menschen motiviert“, sagt Jen Randall, zu deren neuesten Filmen die Lieblingsstreifen vieler Bergfestivals This is Beth mit Beth Rodden, Home über die Abenteurerin Sarah Outen und Psycho Vertical mit dem britischen Bergsteiger Andy Kirkpatrick gehören. „Das Abenteuer ist eine große Kulisse für sehr menschliche Geschichten. Für mich ist der Abenteuerteil schon immer zweitrangig. Was mich interessiert, sind die Menschen.“  

Die Co-Gründern von „Well Travelled Collective“ Sarah Lee Steele, fügt hinzu: „Wenn du tief in eine Community einsteigst, gibt es immer Menschen, die alles zusammenhalten. Sie sind es wert, Aufmerksamkeit zu bekommen.“ 

 Der Wunsch, Geschichten zu erzählen, die bisher nicht im Rampenlicht standen, trieb Sarah und ihre Partnerinnen Andrea Wing und Darcy Hennessey Turenne vor drei Jahren zur Gründung von „Well Travelled“ an. Die drei Filmemacherinnen waren beim Mountainfilm in Colorado und fragten sich: „Habt ihr auch das Gefühl, dass die Filme hier alle irgendwie gleich sind?“ Andrea und Darcy hatten bereits beim Frauen-Film-Camp „Moonlighter“ zusammengearbeitet. Zunächst schien es, dass eine Wiederholung eine mögliche Lösung sein könnte. COVID-19 hat diese Idee ad acta gelegt. Stattdessen gründeten sie eine Produktionsfirma, deren ausdrückliche Absicht es ist, weiblichen Stimmen mehr Gehör zu verschaffen, ein breiteres Spektrum an Perspektiven zu vermitteln und dafür zu sorgen, dass Frauen vor und hinter der Kamera besser repräsentiert sind. Dazu gehört gleichzeitig großartige, unterhaltsame und packende Geschichten zu erzählen, die unter die Haut gehen – wie die jüngsten Preisträger und PublikumslieblingeThis is Beth, North Shore Betty und The Trapline.  

Pass it On hat mit einem „ziemlich breiten Briefing“ angefangen, erzählt Jen Randall, „eine Anfrage, die weniger beleuchteten Seiten der Kletterszene von Squamish zu zeigen.“ Jen befragte eine Menge Leute der Kletterszene, wer infrage kommen würde und es fielen viele Namen. Nach den „verdammt“ harten Pandemiejahren sollte es auf jeden Fall etwas Fröhliches sein, dass Communityarbeit hervorhebt.  

Es ist einfach, die Videos von harten Boulderproblemen und Kletterrouten anzuschauen, die täglich auf YouTube hochgeladen werden. Die vielen kleinen Aufgaben von Communityarbeit sind unsichtbar. Es ist gut, den Fokus ab und zu von dem immerwährenden Helden und Heldinnen auf der Suche nach einem weiteren unüberwindbaren Projekt abzuwenden, um einigen der weniger sichtbaren Sternen am Himmel die Aufmerksamkeit zu schenken.  

Sarah Steel: „Beim Klettern geht es nicht um den Schwierigkeitsgrad. Es geht viel mehr um Community und die Werte, die wir teilen. Es hat etwas Nomadisches. Du triffst immer neue Leute. Wenn du in eine umziehst, wirst du automatisch in eine neue Community hineingezogen und Menschen wie Michelle, Tami und Sandy spielen eine Schlüsselrolle dabei. Es sind nicht die, die durch Social Media und Videos einen gewissen Bekanntheitsgrad haben, aber sie sind extrem wichtig.“ 

Meistens machen sie das, was sie tun, ja auch nicht, um bekannt zu werden. Wie Tami Knight, eine der frühen Squamish-Kletterinnen, sagt: „Ich habe nie über ein Vermächtnis nachgedacht.“ Ich freue mich, dass Menschen von Dingen inspiriert werden, die ich gemacht habe. In keiner Weise habe ich währenddessen daran gedacht, eine Inspiration zu sein. Ich wollte einfach nur klettern.“   

Tausende von uns treten jedes Jahr in ihre Fußstapfen, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Es ist gut, ihr und ihresgleichen Anerkennung zu zollen. Denn sie sind es, die den Weg bereitet haben, damit auch der Rest von uns diese Liebe leben kann. 

Tami Knight

Sandy Ward

Michelle LeBlanc