Living outside yourself
Tiefgreifende, lebensverändernde Ereignisse passieren nicht jeden Tag – nicht einmal jeder Mensch erlebt so einen Moment. Für Hugh Herr, ein erfahrener Kletterer, Alpinist und Professor am MIT, der sich heute auf die Technologie von Prothesen spezialisiert hat, kam dieser einschneidende Wendepunkt früh in seinem Leben.
1982 war Hugh mit 17 Jahren bereits ein ausgezeichneter Kletterer. Der Winter dieses Jahres sollte ein einschneidendes Erlebnis in seinem Leben werden. Im Januar haben er und ein Freund erfolgreich eine Eisroute knapp unterhalb des Gipfels des Mt. Washington in New Hampshire bestiegen, ein Berg, der für sein eisiges und unbeständiges Wetter berüchtigt ist. Nahe des Gipfels wurden sie plötzlich von einem Blizzard überrascht. Beim Abstieg verliefen sie sich im Whiteout und mussten über 3 Nächte bei -29 °C ums Überleben kämpfen.
Während die beiden Kletterer in einer Höhle kauerten, teilten sich hochausgebildete Retter von Mountain Rescue Service mit besten Kenntnissen der Gegend für eine Suchaktion auf – ohne die geringste Ahnung, wo sich Hugh befinden könnte. Während der Suchaktion wurde eine Gruppe von einer Lawine erfasst, die dem ehrenamtlichen Retter und beliebten Bergsteiger Albert Dow das Leben nahm.
Hugh und sein Partner wurden schließlich lebend geborgen, wobei Hugh aufgrund von Erfrierungen beide Beine unterhalb des Knies verlor. Sein Freund überlebte mit ähnlichen Verletzungen. Hugh hatte das Glück, am Leben zu sein, war aber zutiefst erschüttert vom Tod, für den er sich verantwortlich fühlte. „Das Gefühl ging in einen Schock über und dann in Wut auf mich selbst, weil ich schlechte Entscheidungen in den Bergen getroffen habe und dadurch andere in Gefahr gebracht habe.“
„Es war der absolute Tiefpunkt in meinem Leben.“ In diesen dunkelsten Monaten hat er den Plan gefasst, sich in seinen zukünftigen Jahren dafür einzusetzen, anderen Menschen zu helfen. „Ich habe mir geschworen, dass ich jede Zelle in meinem Körper nutzen werde, um etwas Gutes in meiner Lebenszeit zu erschaffen. Ich dachte, es wäre eine Schande für das Andenken an Albert, wenn ich das nicht tun würde.“
Er fing auch wieder an zu klettern. „Die Wut hat mich ironischerweise wieder zum Klettern gebracht – mit künstlichen Beinen.“ Von Anfang an tüftelte er an seinen Prothesen herum, damit sie an den Felswänden funktionierten, bis er in der Lage war, Dinge zu tun, zu denen er vorher nicht in der Lage gewesen war. Er hatte schon immer viel Hirnschmalz in allemöglichen Techniken, Wetterkonditionen und Karten gesteckt; Nun war er ein Student der Prothesentechnologie.
Heute, Jahrzehnte später, hat Hugh einen Master vom MIT, einen Doktortitel in Biophysik aus Harvard und ist einer der führenden Entwickler von Prothesen. „Ich bin im Bereich der Hilfs- und Augmentationstechnologie tätig – das heißt, man baut Roboter, die am Körper befestigt werden.“
Er hat nie aufgehört zu klettern – seine Prothesen geben ihm die Fähigkeiten, die er für den Fels braucht. Und er hat sein Versprechen, Gutes zu tun, nie aufgegeben: Seine Arbeit auf dem Gebiet der Prothetik und Biophysik hat zu bahnbrechenden Fortschritten bei bionischen Gliedmaßen geführt, die Menschen dabei helfen, ihren Körper so zu bewegen, wofür er bestimmt war. Damit ermöglicht er ihnen ein erfüllteres Leben, unabhängig von ihrer Behinderung.“