“HERE GOES”

Seine Prä-Ski-Meditation hat Sam Kuch einige große Titel beschert. Während er sich auf eine gefühlvollere Ski-Ära einlässt und seine sanftere Seite umarmt, findet er eine tiefe Wertschätzung für seine Heimat.
 

FOTOS: KARI MEDIG | TEXT: MIKE BERARD 

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Die kleine Ort Nelson (British Columbia) wurde auf dem traditionellen Gebiet der Sinixt, Ktunaxa und Syilx gebaut und befindet sich in den Bergen.  

Wie fast überall in British Columbia definieren die geografischen Gegebenheiten, wie die Orte aussehen und wachsen. Hier in Nelson fallen die steilen Flanken der Selkirk Mountains in das Tal mit dem Kootenay Lake. Der Freeskier Sam Kuch wuchs auf einem drei Hektar großen Stück Hang südlich des Orts in Richtung Slocan Valley und an den Pisten des Whitewater Ski Resorts auf.  

Sam fährt so, wie sich viele von uns an ihren allerbesten Tagen fühlen: geschmeidige, kreative Schwünge unterbrochen von weiten, stylishen Sprüngen. Wie Candide Thovex oder Eric Hjorleifson vor ihm, ist Sam ein ausgezeichneter Kombinierer, der sich blitzschnell anpasst und auch am kleinsten Feature einen Übergang hinbekommt.
Er macht Tricks in steilstem Gelände. Dabei zeichnet ihn vor allem sein unglaublich flüssiger Style aus. Er bewegt sich wie kaum ein anderer, fährt wuchtig, schnell und lässt es unglaublich einfach aussehen. Seine Fähigkeit, einen Side Hit zu finden und daraus einen Knaller zu machen, scheint ein Naturtalent zu sein.  

Gerade befindet er sich allerdings in seiner selbst erklärten „gefühlvollen Ära“. Dabei geht es ihm mehr um ruhigeres Riden, sanfte Landungen, flowige Turns und das aktive Erleben jedes Moments. „Ich fokussiere mich nicht mehr so sehr darauf, mich immer weiter zu verbessern“, sagt der 26-jährige Freerider. Ich konzentriere mich auf das, was mich am meisten erfüllt und zwar ein flüssigerer Style und eine echte Verbindung zum Schnee.“  

Der Start eines Stars 

Es ist logisch: Sam hat jung angefangen und nie aufgehört. Er begann mit 13 Jahren im Whitewater Freeski Team, das von Legenden wie Peter Velisek und Dano Slater trainiert wurde. Dano war einer der einflussreichen Big Mountain Skifahrer der Kootenays Community, der 2022 leider an Krebs starb. „Dano hat ein Team zusammengestellt, das inzwischen zur Weltklasse gehört“, sagt Sam. „Einige dieser Kids haben es bis in die Freeride World Tour geschafft. Es war nicht das übliche Team … Die Trainer waren unsere Mentoren, Inspiration, aber vor allem unsere Buddies.”

Dano Slator und seine Freunde vermittelten den Kids ein Gefühl der Lebensfreude und eine Leichtigkeit am Skifahren. Gleichzeitig lag der Schwerpunkt auf kraftvollen Schwüngen, dem Lesen und Visualisieren des Geländes und natürlich großen Sprüngen – ein Talent, auf das Sam noch heute zurückgreifen kann. Er hat ein Gefühl für die Luft wie ein Vogel, was der wendige Athlet darauf zurückführt, dass er fast jeden Moment, den er nicht im Schnee ist, im Hinterhof trainiert. 

„Meine Mutter, meine Geschwister und ich haben gespart und ein hochwertiges Trampolin gekauft“, erinnert er sich. „Ich bin darauf aufgewachsen. Ich war jeden Tag stundenlang am Springen. Ich war besessen.“ Das Gefühl für die Luft, das er durchs Trampolinspringen bekam, kompensierte den nicht vorhandenen Park in Whitewater. „Ich konnte mir vorstellen, die Tricks zu machen. Wir haben Kicker im Gelände oder neben der Piste gebaut und sie geübt. Wir waren nie in einem Park.“ 

Im Laufe der Jahrzehnte, in denen er im Gelände von Selkrik – welches die Kootenays zu einem Weltklasse-Skigebiet gemacht hat – unterwegs war, hat Sam seine mentale Stärke ausgebaut und eine Prä-Ski-Routine entwickelt. 

„Ich bete zu den Bergen“, erzählt er mir auf dem Rasen seiner Highschool, die direkt neben seinem Haus und an der Straße aus dem Sherpa-Cinema-Streifen „All.I.Can“ liegt. „Ich sage so etwas wie ´Danke, dass ich hier sein darf. Ich schätze alles, was ihr mir gebt und ich werde gleich etwas ziemlich Krasses machen.’ Ich schließe meine Augen und atme tief und langsam ein. Dann stelle ich mir vor, dass ich Schmetterlinge ausatme, die davonflattern.“  

Dann sagt er – jedes Mal – zu sich selbst „Here goes“ und los gehts.  

Im Jahr 2015 nutzte Sam diese achtsame Herangehensweise, um bei der IFSA North American Junior Freeride Championship den zweiten Platz zu belegen. 2016 stand er ganz oben auf dem Treppchen. Sein Vater Cam erinnert sich gut an diese Zeit. „Es war eindrücklich und wirklich schön zu sehen, wie die Kids einfach nur Spaß hatten“, erzählt Cam.  „Und für Sam war es super so viel Freude zu haben und dann auch noch zu gewinnen.“  

Nach diesem Titel wollte er nicht mehr an Wettkämpfen teilnehmen. Das Jahr 2019 wurde zu Sams Jahr, der mit Leichtigkeit zu einem hektischen Drehplan überging und Auszeichnungen wie die „Best Male Performance“ des Powder Magazines, den „Male Skier of the Year“ des High Five Festivals und das „Best Male Freeride Segment“ von IF3 gewann. Scheinbar aus dem Nichts startete der junge Sam durch. Die Freeski-Welt konnte ihre Augen nicht von seiner Flugbahn lassen.  

Rückkehr zur Quelle  

Wenn ein Skifahrer die Oberfläche der Erde verlässt, leitet er eine Rotation ein, die auf Erfahrung basiert. Ganz gleich, ob es sich um eine Drehung, einen Salto oder einfach um einen geraden Sprung handelt, die Landung ist eine wichtige Fähigkeit, die die Coaches ihren Schützlingen schon früh antrainieren wollen. Das ist zwar nicht annähernd so aufregend wie der eigentliche Trick und auch nicht so spannend wie der Start, aber auf lange Sicht ist es wichtiger zu wissen, wo wir landen.  

„Ich fantasiere über das Skifahren“, lächelt Sam. „Ich stelle mir erst einen speziellen Trick oder eine bestimmte Linie vor. Ich visualisiere sie … tausend Mal. Und wenn es dann soweit ist und ich auf den Ski stehe, ist es, als hätte ich es schon fast tausend Mal gemacht.“  

Diese bewusste Herangehensweise ist für Sam ganz natürlich. Er hat nicht den Hauch eines Egos und verkörpert eine Yoda-ähnliche Präsenz, so als ob er darauf trainiert wäre, ein guter Mensch zu sein und nicht nur ein guter Sportler. Liebenswürdigkeit durchdringt Sam und die Menschen, mit denen er sich umgibt. Er meditiert, um sich zu motivieren. Er spricht sanft, ist aber selbstbewusst. Er umarmt Menschen, die er gerade erst trifft. Er hört zu und nimmt sich Zeit für seine Antworten, die er mit einer jugendlichen Weisheit formuliert.
 

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Er lebt zusammen mit seiner Partnerin, einem Kätzchen, das ständig ausreißen will, und bald mit seinem ersten Kind in einem bescheidenen Haus im Norden von Nelson. Vom Wohnzimmer hat man einen schönen Blick über den Kootenay Lake. Zahlreiche Kunstwerke und Instrumente zieren die Wände. Ein wunderschönes japanisches Messer schmückt die Küche und zeigt eine Wertschätzung für gutes Essen. Das gilt auch für den Garten vor dem Fenster. Angefangen bei dem verbeulten Enduro-Motorrad in der Einfahrt bis hin zu dem beeindruckenden Geräteschuppen aus Zedernholz, den Sam selbst gebaut hat, ist es offensichtlich, dass Sam und Jade stolz auf ihr Zuhause sind.  

Sein Vater Cam und seine Mutter Sheila strahlen, wenn sie von ihren drei Kindern erzählen. Als Familie waren sie so oft wie möglich im Whitewater Ski Resort unterwegs, mit dem kleine Sam im Rucksack. Am knisternden Feuer sitzend, sehen beide Eltern fit und glücklich aus. Typische Menschen, die in den Bergen leben – sonnengebräunt, lässig und fröhlich, mit einem deutlichen Hinweis auf die körperliche Stärke, die sich dahinter verbirgt. Sheila hat einen schwarzen Gürtel in Karate und war früher Turnerin. Cam ist Bauunternehmer. Beide sind offen und laden einen sofort in ihr Zuhause ein.  

Der Nachbar und Freund von Sam ist Kirk Jensen, der Geschäftsführer von Whitewater und ein Star von Reel Action Pictures, der mit Legenden wie Trever Peterson und Eric Pehota Erstbefahrungen gemacht hat. Zu Sams Skikollegen aus der Kindheit gehören auch die Big-Mountain-Stars Cole Richardson, Trace Cooke und Jordy Kitner. Nelson ist eine kleine Stadt mit unglaublich vielen Skitalenten. Sam weiß, dass es über den traditionellen Sinn des Wortes hinaus Heimat ist. Während seiner Karriere – und einem Abstecher nach Whistler – hat er gesehen, was es da draußen gibt. Es zieht ihn aber immer wieder zurück nach Nelson. 

 

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„Ich bete zu den Bergen. Ich schließe meine Augen und atme tief und langsam ein. Dann stelle ich mir vor, dass ich Schmetterlinge ausatme, die davonflattern.“ 

Seine improvisierte Band – Ymir Boat Club – ist ein Beispiel dafür, wie Nelson Sam ermöglicht, frei zu experimentieren. „Ich spiele eigentlich kein Instrument, aber ich habe Bass gelernt und mit meinen Freunden eine Band gegründet. Unser einziger Auftritt war ausverkauft. Das hat so viel Spaß gemacht.“  

Auf Kuch-Art-und-Weise 

Ob Skifahren, Mountainbiken (Sams Sommeraktivität) oder Musikmachen, Sam geht an alles mit offenem Herzen an, ohne die typische Nervosität vieler professioneller Bergsportler:innen. „Ich denke, etwas, das ich schon immer in mir gehabt habe, ist Dankbarkeit“, sagt Sam. „Ich bin einfach so dankbar, dass ich in Nelson lebe und hier aufgewachsen bin. Viele Leute sind hier sehr glücklich und leben ein bescheidenes, einfaches Leben.“  

Ein typisches Beispiel: Als Matchstick Productions ihr bahnbrechendes Stück „Is Sam Kuch the Best Skier in the World?“ (Ist Sam Kuch der beste Skifahrer der Welt?) nannten, zuckte er vor Verlegenheit zusammen, statt vor Stolz zu strahlen. Er ist so bescheiden wie der Ort, in dem er aufwuchs, sogar wenn beide ein Kaliber haben, von dem die meisten nur träumen können. Clickbait-Titel oder nicht, viele Menschen haben die Frage des Videotitels bejaht. Vielleicht ist Sam, was sie sagen. Vielleicht auch nicht. Was auch immer die Antwort ist, bei ihm läuft es. In Nelson ist er einfach Sam … und das findet er super. „Sam ist eine authentische Person und Nelson ist ein authentischer Ort“, sagt Jade. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er woanders lebt.“  

Wenn wir Menschen älter werden, begreifen die Glücklichen unter uns, dass es wichtiger ist, zu wissen, wo man sein will, als wo man hin will.  Sam, der sich darauf freut, im Dezember Vater zu werden, bezeichnet es als „ Sechser im Lotto “, in Nelson aufgewachsen zu sein, und stellt sich für seinen Sohn die gleiche liebevolle Umgebung vor: “Here goes.” 

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Sieh dir hier den Streifen „Here Goes“ von 2021 über Sam an, der unter anderem von seiner Prä-Ski-Meditation inspiriert wurde.