Wrangling the Coast

Inside the Making of Shaped By Wild
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Texte: Ben Osborne | Fotos: Angela Percival

Ange Percival lag in ihrem Biwak am Mount Queen Bess und war hin- und hergerissen. Einige Stunden zuvor hatte ihr Team eines ihrer bis dahin ambitioniertesten Fotoprojekte abgebrochen: den Versuch einer Erstbefahrung eines der Kronjuwelen von British Columbias Coast Range. Jetzt tat sich vor ihr eine große Weite auf. Jegliches Bedauern war an diesem Abend schnell verflogen. Das war eine Aussicht, die sie sich nie hätte vorstellen können, als sie an den Stränden Australiens aufwuchs.

„Ich habe nur gedacht: Die Eiszeit ist real“, erinnert sich Angela.

Doch ihr reichte es nicht, selbst diese Erfahrung gemacht zu haben. Sie wollte ihre Eindrücke mit der Welt teilen. Das Team war schließlich zurück in der Zivilisation. Doch Angela quälte eine Frage:

„Wie kann ich diese 1.200 Kilometer lange Bergkette, durch die nur drei Straßen führen, einfangen und meiner Mutter und meinem Vater zeigen?“

Diese Frage trieb sie und ihre Arbeit in den darauffolgenden sechs Jahren an.

Die Coast Range ist mit keiner anderen Gebirgskette in Nordamerika vergleichbar. Das Herz der Gebirgskette, die sich von den Bürgersteigen North Vancouvers bis zur Grenze Alaskas erstreckt, ist einer der wenigen Orte, an denen man nur Berge sieht. Die Ausläufer fallen entlang ihrer westlichen Grenze zum Pazifischen Ozean ab. Im Osten ziehen sich hohe, trockene Täler.

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Angesichts dieser geografischen Komplexität und kulturellen Fülle gibt es keine einfache Lösung, um zu vermitteln, was Percival an jenem Abend am Queen Bess erlebte. Vielleicht war sie sich der Komplexität dessen, was sie wahrnahm, damals nicht bewusst, aber nachdem sie nach Whistler (BC) umgezogen war, fühlte sich Percival dazu veranlasst, die eisige Introspektion, die sie nur in den Tiefen des Gebirges finden konnte, zu teilen. Die wichtigste Frage war, wie sie das anstellen sollte.

„Es ging nicht darum, es mit anderen Orten wie dem Himalaja oder den Tetons zu vergleichen. Ich wollte zeigen, was für ein besonderer Ort das ist“, sagt Angela.

Sechs Jahre und unzählige Abenteuer auf der ganzen Welt später machte Angela den ersten Schritt. Entschlossen ging sie in das Büro von Reelwater Productions, einer in Squamish ansässigen Produktionsfirma für Dokumentarfilme. Es war ein kalter Dezembertag. Ein Tag, an dem der Gründer von Reelwater, Bryan Smith normalerweise in den Bergen unterwegs ist. Bryan wusste aber schon vorher, dass dieses Meeting es wert war, im Büro zu bleiben.

„Sie setzte sich zu uns und sagte: ‚Ich möchte einen Film über die Coast Mountains machen. Meint ihr, ihr könntet mir bis nächste Woche einen Vorschlag machen?’“, erinnert sich Bryan.

Der aus dem Bundesstaat Washington stammende Bryan Smith verliebte sich in die Coast Range, nachdem er mit Anfang dreißig nach Kanada gezogen war. Für ihn war Angelas Projekt ein Traumjob. Das Timing der Anfrage kam denkbar unpassend.

Als sie in ihrem Büro über das Projekt nachdachten, gleichermaßen inspiriert und eingeschüchtert zwischen Stapeln von National Geographics, Kameraausrüstung und DVDs früherer Produktionen, wussten sie eins: Jeder Film, der das Gefühl der kalten Ehrfurcht, das Percival empfand, erfolgreich auf die Leinwand bringen würde, würde von einer Sache leben – von den Charakteren.

quote-leftEs ging nicht darum, es mit anderen Orten wie dem Himalaja oder den Tetons zu vergleichen. Ich wollte zeigen, was für ein besonderer Ort das istquote-right

Cameron Sylvester und Edgar Smith sind Experten für und haben jahrelange Erfahrung in Sachen Action- und Outdoorfilmproduktion, in der sie ihr technisches Können mit einer ebenso großen Begabung für den persönlichen Kontakt zu ihren Protagonisten und Protagonistinnen in Einklang gebracht haben. Als sich das Team auf die Suche nach ergreifenden Geschichten machte, die die Dynamik eines Gebirgszuges auf den Punkt bringen sollten – Geschichten, die in den Ozean eintauchen, den Himmel durchdringen und voller Artenvielfalt sind, die David Attenborough am besten erzählen kann – wurde ihnen schnell klar, dass die abgelegenen, schwer zugänglichen Merkmale des Gebirgszuges die Charaktere verkörpern, die sie brauchten. Diese Menschen existierten bis dahin nur in ihrer Fantasie. Es war schwierig, die richtigen Personen zu finden, um eine so komplexe Palette zu repräsentieren, aber genau diese Herausforderung reizte sie. Daraufhin begannen Percival, Smith und Sylvester, jeden Winkel der Gebirgskette zu durchkämmen.

Mit Joe Lax, einem Snowboarder, der in aller Stille seine Handschrift in den Bergen hinterlassen hatte, wurden sie erstmals fündig. Er blieb weitgehend unbemerkt (sogar von seinen Sponsoren), bis Percival ihn als Symbolfigur des Snowboardbergsteigens in Pemberton, British Columbia, identifizierte. Lax hatte sein Ding so unauffällig durchgezogen, dass selbst Sylvester und Smith, zwei begeisterte Snowboarder, die ganz in der Nähe wohnten, ihn kaum kannten. Nichtsdestotrotz begab sich das Trio auf einen Winter mit zahlreichen Aufbrüchen vor der Morgendämmerung, um Lax und sein Hausgebiet besser zu verstehen und was noch wichtiger war, um zu verstehen, wie dieses Land ihn geprägt hat.

Das Team hat auch Julia Niles und ihre Partnerin Lisa Van Sciver ausfindig gemacht. Diese zwei erfahrenen Alpinistinnen waren fähig, richtig große Projekte in diesen Bergen anzugehen und sorgten zudem für noch mehr Gesprächsstoff. Beide sind Mütter, was dem Publikum einen guten Einblick in die anspruchsvolle Aufgabe bietet, ein Leben in den Bergen mit der Familie und täglicher Verantwortung in Einklang zu bringen – Erfahrungen, die viele Menschen aus den städtischen Umgebungen, von denen aus die Coast Range einfach zugänglich ist, machen.

Ryan Oakden und seine Partnerin Kalissa Lolos haben einen anderen Weg gewählt, als sie von Whistler in das abgelegene Bralorne zogen. Am anderen Ende der Schnittstelle zwischen Stadt und Natur in der Coast Range haben sie sich den Wunsch, den Angela, Cameron und Edgar bestens nachvollziehen konnten, erfüllt. Ein Lebensstil abseits der ausgetretenen Pfade, der für die Coast Range typisch ist – die Möglichkeit, in die Abgeschiedenheit zu gehen und abgeschieden zu leben.

Erst gegen Ende der Produktion hat Angela den finalen, entscheidenden Teil der Geschichte entdeckt. Als sie in der Waddington Range unterwegs war und zwar im achten Monat schwanger, aus dem Fenster eines Hubschraubers Luftaufnahmen der Gegend machend, weihte Mike King von White Saddle Air Angela in etwas ein.

„Wir hatten einen Weg gesucht, wie wir die indigenen Völker der Range in die Geschichte einbringen können, da wir wussten, was für einen entscheidenden Teil sie darstellen. Es war aber schwierig, eine Community zu finden, die mit den Bergen verbandelt ist“, sagt Angela.

Mike King, ein ruppiger, bodenständiger Pilot, schien von Percivals unnachgiebiger Hingabe für das Gebiet angetan zu sein. Vielleicht war es der Flug über einen der höchsten Berge von British Columbia bei -15 Grad, offenen Türen und der Schwangerschaft, die ihn überzeugten. Vielleicht war er auch berührt von der Geschichte, die sie über die Range erzählen wollten, in der er mehrere Jahrzehnte lebte. Wie auch immer er Feuer fing, Mike hatte einen Auftrag, Nahrungsmittel an eine Gruppe der Xeni Gwe’tin First Nation zu liefern und sah Potenzial.

„Du musst Jimmy kennenlernen. Wir rufen ihn am besten gleich an“, sagte er zu Angela.

Einen kurzen Anruf später saß der 37-jährige Chief Jimmy Lulua, Anführer der Xeni Gwe’tin First Nation an Board.

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Lulua führte eine Gruppe von Männern auf einer Überquerung an, die ihr Volk seit Hunderten von Jahren praktizierte, aber in jüngster Zeit den Bezug zu dieser Tradition verloren hatte. Vom Chilko Lake an der Westgrenze der Waddington Range und im Herzen ihres traditionellen Territoriums würde die Gruppe die steilen bewaldeten Hänge der Waddington Range erklimmen, die Gletscher und Eisfelder durchqueren und Tausende von Metern zum Bute Inlet hinabsteigen, wo sich das traditionelle Territorium der Homathko First Nation befindet. Angela, Cameron und Bryan war sofort klar, als sie Jimmys Geschichte hörten und von seinen Zielen als Anführer des im Nemiah Tal angesiedelten Volkes erfuhren, dass dies das finale und entscheidende Stück ihrer Erzählung über die Coast Range sein würde.

Als Cameron und Bryan den Vorschlag, den Angela an diesem einen kalten Dezembertag machte, in Form eines 15-seitigen PDFs zu Papier brachten, war ihr Konzept beachtenswert nah an der finalen Version. Es ist eine Ode an die Charaktere, die von der Coast Range geprägt wurden, und an das, was diese Region so einzigartig macht. Was ihnen während der Suche nach diesen Charakteren, der Findung des roten Fadens und der vielen Wochen im Schnittprozess nicht bewusst war, war, dass diese Charaktere Spiegelbilder ihrer selbst waren.

„Ich hatte mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, wie mich diese Bergkette geprägt hat, bis zu dem Moment, als ich mich wegen des Films damit beschäftigte“, sagt Angela.

Keine digitale Version kann den echten Erfahrungen, die über Tausenden von Jahren auf diesem Land gemacht wurden, einem Turn in 50-Grad-steilem Gelände oder der Freude, deinem Nachwuchs die Liebe zur Natur zu vermitteln, gerecht werden. Shaped by Wild kommt dem aber sehr nahe.

Jetzt muss der Film nur noch seinen Weg nach Syndey finden, um Angelas Eltern näher zu bringen, warum es ihre Tochter so weit vom australischen Strand wegzog.

quote-leftIch hatte mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, wie mich diese Bergkette geprägt hat, bis zu dem Moment, als ich mich wegen des Films damit beschäftigtequote-right