Aeolis Mons | Jonathan Siegrist’s erste Erstbegehung einer Mehrseillängen-Route

Text: Jonathan Siegrist

Fotos: Alton Richardson

Das erste Mal sah ich die Felswand 2014. Bei einem anstrengenden Winter-Fotoshooting für Arc’teryx stapften ein paar von uns über eine steile, wunderschöne und damals von Schnee bedeckte Weide nach oben zum Fuß der Wand. Wir brachen bei jedem Schritt ein, aber ich war voller Ehrfurcht vor ihrer Schönheit und Größe. Ich sammelte so viele Informationen wie möglich und speicherte diese Erinnerung für die Zukunft…

Vier Jahre später bot sich mein Freund Chad Umbel an, mir beim Anlegen einer Route zu helfen. Chad kennt dieses Gebiet besser als jeder andere, so dass ich mich begeistert seiner Führung anvertraute. Wir kletterten so schnell es ging nach oben und unsere Aufregung steigerte sich mit jedem Meter. Wir zogen 220 m Seil und ein komplettes Ausrüstungsset zum Setzen von Bohrhaken hoch. Als wir endlich den Gipfel erreichten, hakte Chad mich aus und fragte: „Okay Kumpel, wo willst du anfangen?“

Ich habe in zahllosen Einseillängen-Routen Bohrhaken gesetzt und viele traditionelle Routen angelegt. Aber das hier waren die ersten Momente meines ganz persönlichen Abenteuers: die Erstbegehung einer Mehrseillängenroute. Auf diesen Moment hatte ich mich seit Jahren gefreut, weil ich schon immer davon geträumt habe, das Erlebnis beim Setzen von Bohrhaken und die raue Schwierigkeit der Einseillängen-Routen mit der Einsamkeit und der Ausgesetztheit des Kletterns in großen Wänden zu kombinieren. Nach meinem hart erkämpften Erfolg in der Route ‘Jumbo Love’ 15b im letzten Mai, richtete sich meine Aufmerksamkeit darauf, etwas Neues auszuprobieren – und glücklicherweise bot sich die Möglichkeit zu diesem Abenteuer. Es war unglaublich aufregend, als ich mich das erste Mal in die Wand abseilte und meine Augen enthusiastisch das unter mir liegende Terrain scannten.

In den folgenden zwei Wochen war ich verrückt nach dieser Wand. Sooft meine Beine mich trugen, wanderte ich hoch zu meiner Route, um an ihr zu arbeiten. Jeden Tag setzte ich sieben Stunden lang Bohrhaken und reinigte die Wand. Trotz der Erschöpfung fuhr ich anschließend noch ins Fitnessstudio nach Vegas, um für das Klettern in Form zu bleiben. Ein flüchtiger Blick auf einen möglichen Griff oder ein potentieller Bewegungsablauf, den ich mir vorstellen konnte, genügte, um mich die halbe Nacht lang wachzuhalten. Ich notierte Organisatorisches auf einem Notizblock und ging laut Ideen durch. Der ganze Prozess berauschte mich – von der Auswahl der Standplätze, der ersten Berührung der Griffe bis zu der Aussicht auf die Begehung der gesamten Route.

Ohne Zweifel ist diese Begehung einer meiner größten Erfolge. Ich bin extrem stolz darauf, wie diese Route funktioniert hat und kann es kaum erwarten, zu sehen, wohin mich die frische Motivation bringen wird.

Ich habe die Route ‘Aeolis Mons’ genannt – nach einem Berg auf dem Mars. Während meiner Versuche an dieser Route beschäftigte ich mich intensiv mit dem noch immer faszinierenden Mars-Rover Curiosity. Ich blätterte durch die Bilder, die dieses ferngesteuerte Fahrzeug aufgenommen hatte, und empfand eine auffällige Ähnlichkeit zwischen der Landschaft auf diesem fernen Planeten und der wüstenartigen Umgebung meines Zuhauses.

Als ich meine Erkundungsfotos auswertete, wusste ich sofort, dass es dieser Bereich der Felswand war, den ich am allerliebsten klettern wollte. Die wunderschöne Färbung des Fels, seine Position an der Wand und seine Länge schrien nach einer Begehung. Am Ende war es sogar noch besser, als ich zu hoffen gewagt hatte: Eine leicht überhängende Wölbung aus makellosem Gestein, die an die „Blasphemy Wall“ in der Virgin River Gorge erinnert. Der Fels ist in diesem Bereich mit winzigen, stahlharten Einschlüssen übersäht und befindet sich in einer Höhe von fast 150 m. Als ich diesen Pitch am Seil solo kletterte, um mich auf den großen Tag vorzubereiten, wusste ich, dass die Schwierigkeit irgendwo bei 13+/14- liegt – und dass dieser Abschnitt genau mein Ding ist. Das große Fragezeichen der Begehung war die Schlüsselstelle, die sich zwei Seillängen weiter unten befindet.

Die Schlüsselstelle. Dieses 36 m lange Monster besteht aus drei Dachsystemen – jedes schwieriger als das vorherige. Dieser Abschnitt ist zu stark überhängend, als dass man ihn solo klettern oder daran üben könnte. Deshalb war ich mir nicht sicher, ob dieser Teil der Route bei der ersten Begehung überhaupt funktionieren würde. Die Schlüsselstelle zu knacken, genauso wie ich es mir beim Säubern dieser Seillänge vorgestellt hatte, war für mich das Highlight des ganzen Projekts, dieser Moment, in dem ich wusste, dass ich die ganze Route schaffen würde. Ich stürzte tief an dieser Stelle bei meinem zweiten Versuch – und ich war mir nicht sicher, ob ich die Kraft für einen dritten Versuch haben würde. Ich zog sogar in Betracht, einfach daran vorbei zu klettern, um Zeit zu sparen. Aber ich entschied mich für ein Stoßgebet und wagte einen dritten Versuch, weil es vermutlich der letzte Tag war, bevor das echte Vegas-Sommerwetter aufziehen würde. Nervös kletterte ich zu der grässlichen Stelle an der ausgesetzten Kante, nahm alle Kraft zusammen und klickte schließlich atemlos und mit brennenden Oberarmen den Karabiner in den Haken. Von da an wusste ich, dass ich es schaffen würde – auch wenn noch reichlich schwieriges Terrain über mir lag. Ich wollte es unbedingt.

Insgesamt wird die Qualität des Gesteins umso besser, je höher man an der Aeolis Mons klettert. Bei den beiden letzten Seillängen gibt es Griffe und Bewegungen, wie sie nur an dem feinsten, seidenblauen Kalkstein zu finden sind. Die Schlüsselstelle der 6. Seillänge verbindet einen unglaublich kleinen Einschluss mit einer Wasserrille. Von dort aus führt die Route an einem Quarzband entlang… Perfekt! Es ist schwer, so etwas ohne ein breites Grinsen zu klettern.

Während der Arbeit an der Aeolis Mons war ich meistens alleine und ich habe es genossen ganz für mich an dieser Wand zu baumeln und herum zu schwingen. Aber an dem Tag, an dem ich die Route das erste Mal kletterte, war meine wunderbare Freundin bei mir. Ich führte jeden Pitch während Shaina die Schrauben an den Dächern und den wilden Überhängen säuberte. Sie spornte mich an und ließ mich positiv bleiben, als ich an der Schlüsselstelle tief ins Seil stürzte und meine Chance, die Route zu schaffen, gering schien. Die Begehung wäre ohne sie nicht möglich gewesen.

Bei der 2018 Arc’teryx Climbing Academy in Squamish, BC, vom 19 – 22. Juli können Sie mehr von in Squamish BC, July 19 – 22. Juli können Sie mehr von Jonathan Siegrist’s Geschichten hören und mit seinen Tipps ihre eigenen Kletterfähigkeiten verbessern.